Das Debut-Album Idleness of Thought des Riegl Kink Project ist ab sofort zu hören. Unsere Hörer_innen können dann das komplette Album oder einzelne Songs auf Spotify streamen oder über iTunes downloaden. Außerdem wird es eine limitierte CD-Edition geben, mit einem 30-seitigen Booklet im A5-Format.
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Worum geht es in der Musik und den Texten?
Der Titel Idleness of Thought – Denkfaulheit
von Markus Kink
Neulich saß ich an der Bar. Theaterpremiere. Ein Bekannter, Chef eines Unternehmens, hatte sich ebenfalls in das kleine Theaterhaus mit seinen Independent-Produktionen verirrt. Ein Bier trinkend, warteten wir auf den Beginn des Stückes, unsicher, was uns erwarten würde. Immerhin versprach das Schild am Eingang Diskurstheater von drei Stunden Dauer, ohne Pause. Wohin die Unterhaltung steuerte, als er mich fragte, weiß ich nicht mehr genau. Es ging um Toleranz und ich sagte, ich sei ein extrem toleranter Mensch und dass es nur wenige Ausnahmen gäbe. Welche das seien? Ich überlegte nur kurz: Denkfaulheit!
Wenn die Trägheit des Herzens der Gemeinschaft mit Gott zuwiderläuft und in der Religion eine Todsünde ist, dann ist die Trägheit des Geistes ein ebenso gewichtiges Vergehen. Denn, Geistesträgheit ist nicht nur ein Vergehen gegen den menschlichen Verstand.
Wer träge ist im Geiste, sucht oft nach einfachen Antworten auf die komplexen Fragen einer noch komplexeren Welt. Er oder sie gibt sich zufrieden mit der medialen Dauerberieselung und dem Konsumismus; findet, man könne ohne Weiteres sein Privatestes öffentlich teilen, weil man doch ohnehin nichts machen könne und berauscht sich am Wohlgefallen seiner Followerblase. Das Fernsehprogramm an den Feiertagen ist eines der Highlights des Jahres und Filme werden nach Unterhaltungswert oder Actiongehalt sortiert. Die Trägen im Geiste finden Bücher zunehmend suspekt und das in einer Zeit, in der ein x-beliebiger E-Book Reader 500 oder mehr lange Texte auf einmal speichern kann und Lektüreempfehlungen abgibt nach dem Muster: „Kunden die dieses Buch gelesen haben, kauften auch dieses und jenes Werk“. Der Aufstieg von Populisten oder die zynische Haltung vieler Menschen aber auch Entscheidungsträger gegenüber jeglicher Zukunft jenseits von der egoistischen Selbstschau und der eigenen Nutzenmaximierung haben ihren Ursprung nicht nur aber auch darin: In der Denkfaulheit. Dank ihr können Ungeheuerlichkeiten Normalität werden. Ungeheuerlichkeiten wie etwa die Kriminalisierung humanitärer Hilfe, wie es mit der Flüchtlingsrettung im Mittelmeer geschieht. Ungeheuerlichkeiten wie der Präsident der USA selbst eine ist, der in drei Jahren Amtszeit so viele Skandale angehäuft, Lügen verbreitet und Minderheiten und sozial Schwache diffamiert hat, dass es für alle seine Vorgänger x-fach zum Rücktritt gereicht hätte und trotzdem reale Chancen auf eine zweite Amtszeit hat. Oder, dass das Engagement jungen Leute für eine radikal andere Klimapolitik von der politischen Klasse diffamiert wird, obwohl die Forderungen der Friday for Futures-Bewegung größtenteils auf dem aktuellen Kenntnisstand der Wissenschaft und den rationalen Schlussfolgerungen daraus beruhen. Die Liste der Ungeheuerlichkeiten, die wegen der Denkfaulheit viel zu vieler Menschen Normalität werden können, ließe sich endlos fortsetzen, vom Brexit bis zum US-Handelskrieg mit der halben Welt, von Hetze und Schmutzkampagnen der ungarischen Regierung gegen Flüchtlinge bis zum deutschen Agrarministerium, das Tierschutz verkündet und gegen jede Tierwohlethik Klientelpolitik betreibt, und so vielem mehr.
Dank dieser Denkfaulheit bleiben unhaltbare Zustände unhinterfragt – um ein letztes Beispiel zu nennen: wer will schon wissen, was industrielle Fleischproduktion mit den Lebewesen macht, wenn man bei Biorotwein vor einem saftig-appetitlichen Steak vom Bio-Grasrind sitzt?
Die Lösung scheint einfach: Denken. Der Wahlspruch der Aufklärung: Sapere Aude. Wage es Deinen Verstand zu benutzen – aber das strengt an! Und wer wollte sich schon anstrengen in Zeiten, der Convenience (als Food, als Haltung)? Es ist sicher einfacher, sich der Empörungskultur in den sozialen Netzwerken anzuschließen, als selber zu denken, Bücher zu lesen, Qualitätsjournalismus zu rezipieren und im Zweifelsfall selber nachzurecherchieren.
Diese Welt scheinen wir heute einfach so vorzufinden. Aber muss sie wirklich so sein?
Die Texte und die Musik
Idleness of Thought. Viele der Texte, nicht alle, drehen sich um die Auswüchse und Implikationen dieser Denkhaltung – oder vielmehr Denkverweigerungshaltung. Gleichwohl wollten wir nicht mit dem Finger zeigen, wollten uns nicht herausnehmen aus dieser Welt, die natürlich auch unsere ist, die auch durch und mit uns so ist. Die Texte sind zugleich so persönlich wie oft auch politisch – eine Auseinandersetzung mit uns und der Welt inmitten dieser Welt.
Die Musik selber ist mindestens genauso wichtig. Denn hier setzen sich zwei Musiker zusammen, die schon viele musikalische Projekte (auch gemeinsam) hinter haben und auf der Suche sind: Nach etwas Neuem und zugleich nach etwas, das in ihnen steckt und (vielleicht endlich) herausmuss. Experimentierfreudigkeit gehört dazu aber auch der Fokus aufs Ergebnis. Immer steht für uns die Frage im Raum, was man besser, anders, ungewöhnlicher machen könnte; am Groove, an den Harmonien, am Arrangement, am Text.
Wir haben dieses Album mit seinen Songs für uns gemacht. Irgendetwas musste raus. Wenn unseren Hörer_innen das auch gefiele, wäre es umso schöner.